Ein Spin-Off der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
27. Jahrgang (2024) - Ausgabe 4 (April) - ISSN 1619-2389
 
 RESTRUKTURIERUNGSMAGAZIN
   Zeitschrift für Restrukturierung, Sanierung
   und strategische Unternehmensführung
   ISSN 1867-7517
   www.restrukturierungsmagazin.de

"Das präventive Restrukturierungsverfahren ist der nächste Schritt hin zu einer neuen Sanierungskultur"

Düsseldorf / Brüssel - Am 06. Juni 2019 hat der Europäische Rat die EU-Richtline 2019/1023 zum präventiven Restrukturierungsrahmen verabschiedet. Erstmals wird damit europaweit die Möglichkeit geschaffen, außerhalb eines Insolvenzverfahrens, aber innerhalb eines verbindlichen Rechtsrahmens, betriebliche Sanierungsmaßnahmen mit den Beteiligten zu vereinbaren. Entsteht damit tatsächlich eine "neue Sanierungskultur" in Europa oder wird lediglich das "Restukturierungs-Hopping" von Problemunternehmen beflügelt? Antworten auf diese und andere Fragen zum präventiven Restrukturierungsrahmen gibt Rechtsanwalt Dr. Utz Brömmekamp, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Krisenmanagement e.V. (DGfKM) in Hamburg und Geschäftsführer der Buchalik Brömmekamp Unternehmensberatung GmbH in Düsseldorf, im Gespräch mit dem Restrukturierungsmagazin.

Restrukturierungsmagazin: Kernelement des präventiven Restrukturierungsrahmens ist ein sogenannter Restrukturierungsplan. Mit ihm lassen sich - so die Hoffnung -  deutlich individuellere und präzisere Maßnahmen zur Sanierung vereinbaren als im bisherigen Insolvenzverfahren. Gleichzeitig soll damit der Eingriff in die Rechte und Interessen der Beteiligten auf das notwendige Mindestmaß beschränkt werden. Ist damit tatsächlich mit einem höheren Sanierungserfolg zu rechnen als bei den bisherigen Insolvenzplänen bzw. Sanierungskonzepten gemäß IDW S6?

Dr. Utz Brömmekamp: Die EU-Vorgaben für ein präventives Restrukturierungsverfahren orientieren sich stark an unserem deutschen Insolvenzplanverfahren, allerdings mit dem feinen Unterschied, dass es sich gerade nicht um ein offizielles Insolvenzverfahren handelt. Vergleichbar dem Insolvenzplan wird auch der Restrukturierungsplan in der Tat das Kernstück des neuen Verfahrens sein. Denn schließlich werden dort die vorgestellten Maßnahmen und Gläubigerbeiträge erläutert, die dann mit dem Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit zur Abstimmung gestellt werden. Ob individuellere und präzisere Maßnahmen Bestandteil des Plans sein können, wird maßgeblich davon abhängen, in welchem Maße die einzelnen Mitgliedsstaaten bei der jeweiligen Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht den Eingriff in Gläubigerrechte zulassen werden. Fest steht nur, dass anders als nach der deutschen Insolvenzordnung nicht sämtliche Gläubiger einbezogen werden müssen, sondern auch nur einzelne Gläubiger oder Gläubigergruppen vom Plan betroffen sein können. Fest steht auch, dass zumindest im Grundsatz nicht nur finanzwirtschaftliche, sondern auch operative Maßnahmen Gegenstand einer Planlösung sein können. Ob der deutsche Gesetzgeber in diesem Zusammenhang auch Eingriffe in Vertragsverhältnisse zulassen wird, bleibt mit Spannung abzuwarten. Bislang setzt dies bei uns die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens voraus.

"Beim 'Cram Down' sehe ich noch
erheblichen Regelungs- und Klärungsbedarf."

Restrukturierungsmagazin: Die Regelungen des präventiven Restrukturierungsrahmens sehen auch vor, dass das zuständige Gericht ein Moratorium anordnen kann, während dessen der Geschäftsbetrieb des Not leidenden Unternehmens für vier Monate, mit maximaler Verlängerungsmöglichkeit auf 12 Monate, vor Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einzelner Gläubiger geschützt ist. Reicht dieser Zeitraum aus Ihrer Erfahrung für eine nachhaltige Sanierung tatsächlich aus?

Dr. Utz Brömmekamp:
Das Moratorium geht noch weiter, indem es auch Kündigungs- und Leistungsverweigerungsrechte aussetzt. Ebenso können Insolvenzantragspflichten während des Moratoriums suspendiert sein. Eine nachhaltige Sanierung wird in der vorgegebenen Zeit vermutlich nicht zu erreichen sein. Aber darauf zielt das Moratorium auch nicht ab. Vielmehr soll den Schuldnerunternehmen Gelegenheit und ausreichend Zeit gegeben werden, "ohne Druck von außen" mit den betroffenen Gläubigern eine Einigung zu erzielen. Dafür dürfte die Zeit von einigen Monaten ausreichend bemessen sein. Wie die Erfahrung lehrt, werden die Erfolgsaussichten einer Einigung mit zunehmender Zeit nicht eben besser.

Restrukturierungsmagazin: Der präventive Restrukturierungsrahmen sieht u.a. einen "Cram Down" vor - also die unfreiwillige Durchsetzung des Restrukturierungsplans durch einen Richter auch gegen die Einwände einzelner Gläubigerklassen. Haben damit zukünftig viele Kleingläubiger - also beispielsweise mittelständische Handwerksbetriebe - nicht das Nachsehen gegenüber Großbanken, Sozialversicherungsträgern oder dem Finanzamt?

Dr. Utz Brömmekamp: Den "Cram Down" kennen wir bereits aus unseren Insolvenzplanverfahren in Eigenverwaltung (ESUG). Dort heißt dies Obstruktionsverbot, meint aber grundsätzlich dasselbe, dass nämlich die fehlende Zustimmung einer Gläubigergruppe durch richterliche Entscheidung ersetzt werden kann. Dies wiederum setzt insbesondere voraus, dass die opponierende Gruppe durch den Restrukturierungsplan nicht schlechter gestellt werden darf als bei einer (beliebigen) Alternativlösung. Hier sehe ich noch erheblichen Regelungs- und Klärungsbedarf. Denn vom Gericht wird schwerlich zu verlangen sein, alle in Betracht kommenden Alternativszenarien zu prüfen und zu Vergleichszwecken heranzuziehen. Dann wäre es nämlich mit dem hehren Ziel der EU eines schlanken und schnellen Verfahrens rasch vorbei. Die vorgenannten Regelungen des "Cram Down" gelten für alle betroffenen Gläubiger gleichermaßen. Deshalb steht nicht zu befürchten, dass Kleingläubiger hierbei gegenüber großen und/oder institutionellen Gläubigern benachteiligt werden.

"Die Richtlinien-Geber wollen insbesondere ein
funktionsfähiges Sanierungsinstrument für KMU schaffen."

Restrukturierungsmagazin: Kapitalgeber, die einem Not leidenden Unternehmen während der Phase der präventiven Restrukturierung finanziell unter die Arme greifen, sind im Fall einer späteren Insolvenz vor Anfechtungen geschützt. Nimmt die EU damit billigend in Kauf, dass nun noch leichter - sprichwörtlich - "gutes Geld dem schlechten hinterhergeworfen" wird?

Dr. Utz Brömmekamp: Die dies regelnden Artikel 17 und 18 der Richtlinie bergen in der Tat Zündstoff. Solche Finanzierungen sollen nämlich bei Scheitern der Sanierung und in einem sich dann anschließenden Insolvenzverfahren nicht nur anfechtungsfest sein, sondern im Range auch noch vor gleich- oder gar höherrangigen (besicherten) Forderungen bedient werden. Dieses Risiko werden Kreditinstitute künftig im Zweifel in ihre Konditionen einpreisen. Es kann eigentlich auch nicht angehen, dass es für Gläubiger aus dem vorherigen Sanierungsverfahren eine Privilegierung gegenüber Neugläubigern geben soll. Die Zielsetzung der EU ist an dieser Stelle klar. Präventive Restrukturierungsverfahren sollen gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen nicht an fehlenden Mitteln zur Finanzierung des Verfahrens oder des Restrukturierungsplans scheitern. Insoweit erfolgt zumindest für bereits involvierte Finanzierer schon ein Appell, "gutes Geld dem schlechten hinterher zu werfen". Nur wird der Gesetzgeber bei der Umsetzung in nationales Recht dafür Sorge tragen müssen, dass von der Privilegierung nur ernsthafte, notwendige und belastbare Finanzierungen betroffen sein dürfen. Die Missbrauchsgefahr an dieser Stelle ist groß. Diese gilt es legislativ einzudämmen.

Restrukturierungsmagazin: Befürworter der neuen Regelungen loben diese als wichtigen Beitrag zur "Entstigmatisierung" des unternehmerischen Scheiterns und zur Schaffung einer neuen Sanierungskultur. So wurde die Frist für die Restschuldbefreiung bei natürlichen Personen von sechs auf drei Jahre reduziert und aus dem Insolvenzverwalter ein "Restrukturierungsbeauftragter". Ist das nur oberflächliche Wort- und Zahlen-Kosmetik oder ein wirklicher Quantensprung?

Dr. Utz Brömmekamp:
Ob es ein Quantensprung ist, wird sich in den nächsten Jahren erweisen müssen. Bereits das ESUG hat zu einer nicht unmaßgeblichen Entstigmatisierung unternehmerischen Scheiterns geführt. Mit dem Präventiven Restrukturierungsverfahren erfolgt der nächste Schritt hin zu einer neuen Sanierungskultur, insbesondere weil dieses Verfahren nicht mehr im Insolvenzverfahren verortet ist, sondern außerinsolvenzlich stattfindet. Eine gerichtliche Beteiligung wird es aber vermutlich in den meisten aller Fälle geben. Das bereits oben angesprochene Moratorium und auch der "Cram Down"  bedürfen richterlicher Anordnung. Es gibt Stimmen, die behaupten, das neue Verfahren eigne sich zum einen nur für Großunternehmen und zum anderen auch nur für eine finanzwirtschaftliche Sanierung, also letztlich nur für eine Neustrukturierung der Fremdkapitalseite. Ich teile diese Ansicht nicht. Die Richtlinien-Geber haben nämlich anderes im Sinn. Sie wollen insbesondere ein funktionsfähiges Sanierungsinstrument für KMU schaffen, mit dem auch operative Maßnahmen per Mehrheitsbeschluss der davon betroffenen Gläubiger umgesetzt werden können. Etwas versteckt am Ende der Richtlinie findet sich in Artikel 33 eine Überprüfungsklausel, wonach sich die EU nach einer Erfahrungsphase von sieben Jahren ein Nachsteuern vorbehält, wenn sich die in das neue Verfahren gesetzten Erwartungen nicht erfüllt haben sollten.

"Die Suche krisenbefangener Unternehmen nach dem
für sie günstigsten Sanierungsstandort wird damit befeuert."

Restrukturierungsmagazin: Die EU lässt den Mitgliedsstaaten vergleichsweise großen Spielraum bei der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht. Kritiker befürchten, dass nun ein Flickenteppich mit unterschiedlich strengen Regelungen entsteht. Droht der EU damit - ähnlich wie bei der Unternehmensbesteuerung - ein "Restukturierungs-Hopping" von Problemunternehmen?

Dr. Utz Brömmekamp: Aus meiner Sicht ist es der größte "Webfehler" der Richtlinie, dass aus vielen "Muss-Vorgaben" aus den Kommissionsempfehlungen letztlich "Soll-Vorgaben" geworden sind. Das bedeutet, dass den nationalen Gesetzgebern breite Spielräume zur Umsetzung verbleiben. Und die einzelnen Länder werden sich an ihre jeweilige legislative Tradition anlehnen. In Deutschland wird das Verfahren deshalb vermutlich mehr gläubigerfreundlich und regulativ ausgestaltet sein, in den Niederlanden oder Frankreich zum Beispiel eher schuldnerorientiert und weniger reglementiert. Das sogenannte "Forum Shopping", also die Suche krisenbefangener Unternehmen nach dem für sie günstigsten Sanierungsstandort wird damit befeuert. In den Niederlanden richtet man sich darauf schon ein. Deren neues Gesetz soll im ersten Halbjahr 2020 im Kraft treten. Am Amsterdamer Gerichtshof formiert sich gerade eine Abteilung nur für solche Vergleichsverfahren, übrigens mit Englisch als Amtssprache. Das deutet sehr darauf hin, dass sich unser stets umtriebige und pragmatische Nachbar auf "Restrukturierungs-Hopping" vorbereitet. Hartelijk welkom aan alle Europese ondernemers in de crisis….

Restrukturierungsmagazin: Der präventive Restrukturierungsrahmen stärkt auch die Arbeitnehmerrechte. Beispielsweise darf durch Restrukturierungspläne nicht in nationale, kollektivarbeitsrechtliche Bestimmungen eingegriffen werden. Außerdem sollen die Beschäftigten möglichst frühzeitig über die wirtschaftliche Lage des Schieflageunternehmens und den weiteren Ablauf des Restrukturierungsverfahrens informiert werden. Wird damit tatsächlich eine neue Sanierungskultur in Europa etabliert oder nur die kontraproduktive Warnung der Marktpartner vor der Schieflage des Unternehmens beschleunigt?

Dr. Utz Brömmekamp:
Gemessen an den ursprünglichen Kommissionsempfehlungen sind in der Tat die Arbeitnehmerrechte in der Richtlinie gefestigt und zum Teil noch erheblich gestärkt und erweitert worden. Die Frage, ob im Rahmen des präventiven Verfahrens überhaupt in Rechte und Stellung von Arbeitnehmern eingegriffen werden darf, obliegt am Ende dem nationalen Gesetzgeber. Arbeitnehmerforderungen sollen aber grundsätzlich nicht dem Moratorium unterfallen, sind also stets zu begleichen. Zahlungen von Arbeitslöhnen im Verfahren sind im Falle einer Anschlussinsolvenz ebenfalls privilegiert, also vor Anfechtung sicher. Ein im Rahmen der Sanierung geplanter Stellenabbau von mehr als 25 Prozent bedarf zwingend gerichtlicher Bestätigung. Und Arbeitnehmern sollen zum Teil umfängliche Informations- und Mitwirkungsrechte rundum das Verfahren eingeräumt werden. Wenn man so will, kann dies tatsächlich ein Baustein einer neuen Sanierungskultur in Europa sein. Man wird damit aber sorgsam umzugehen haben. Die Entscheidungshoheit muss letztlich bei Gesellschaftern und Management verbleiben, die im Zweifel für ihre Entscheidung, ein außerinsolvenzliches Restrukturierungsverfahren mit all seinen Chancen und Risiken anzustrengen, ihren Kopf hinhalten müssen. Dabei soll aber nicht unerwähnt bleiben, dass ein guter Unternehmer bei seinen Überlegungen immer die Belegschaft mitnehmen sollte.

"Im Zuge der Richtlinienumsetzung sind Instrumente
zur Missbrauchskontrolle dringend zu implementieren."

Restrukturierungsmagazin: Ein Ziel des präventiven Restrukturierungsrahmens ist nicht zuletzt die Senkung der Kosten von Restrukturierungsprozessen. Hierdurch hofft die EU, dass insbesondere kleine und mittlere Unternehmen leichteren Zugang zu dem Verfahren erhalten. Wird damit das Scheitern möglicherweise zu einfach und kostengünstig gemacht und im Gegenzug der volkswirtschaftliche Schaden von Unternehmensschieflagen maximiert?

Dr. Utz Brömmekamp:
Das sehe ich nicht so. Der volkswirtschaftliche Schaden soll ja gerade dadurch verhindert oder zumindest abgeschwächt werden, dass es künftig weniger Unternehmensschließungen und mehr Unternehmenssanierungen geben soll. Das bedeutet volkswirtschaftlich den Erhalt von Arbeitsplätzen, die Vermeidung oder Minimierung von Forderungsausfällen sowie Sicherung und Erhalt von Geschäftsbeziehungen. Andererseits ist es aber fraglos richtig, dem Unternehmen eine Sanierung, die sich maßgeblich auf Zugeständnisse oder Beiträge seiner Gläubiger stützt, nicht zu leicht zu machen. Deshalb sind im Zuge der Richtlinienumsetzung Instrumente zur Missbrauchskontrolle dringend zu implementieren.

Restrukturierungsmagazin:
Die Mitgliedsländer der Europäischen Union haben bis 2021 Zeit, die EU-Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. In Deutschland haben wir bereits seit dem Jahr 2012 mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) einen ähnlichen Rechtsrahmen geschaffen. In der Gesamtschau: Welche konkreten Verbesserungen erwarten Sie durch den präventiven Restrukturierungsrahmen der EU gegenüber den bisherigen Regelungen?


Dr. Utz Brömmekamp: Wir sind in Deutschland in der komfortablen Position, mit dem ESUG bereits ein Verfahren zu haben, dass den Richtlinieninhalten sehr nahe kommt, aber eben nur im Rahmen eines offiziellen Insolvenzverfahrens durchlaufen werden kann. Deshalb muss es in Deutschland ein neues Gesetz über das präventive Restrukturierungsverfahren geben, welchen Namen man diesem auch immer geben mag. Daneben muss das ESUG, das sich nach erheblichen Anlaufschwierigkeiten bei uns zwischenzeitlich bewährt und etabliert hat, seine Lebensberechtigung unbedingt behalten. Das präventive Verfahren soll ausdrücklich der Insolvenzvermeidung dienen, ist also bei bereits eingetretener Insolvenzreife grundsätzlich nicht mehr das geeignete Verfahren. Die gesetzgeberische Herausforderung wird es sein, beide Verfahren sinnvoll und praktikabel voneinander abzugrenzen, was gerade im Stadium drohender Zahlungsunfähigkeit angezeigt erscheint. Denn diese eröffnet dem Unternehmen ein Insolvenzantragsrecht, indes keine Antragspflicht und liegt somit auf der Schnittstelle beider Verfahren. Meines Erachtens spricht nichts dagegen, einem drohend zahlungsunfähigen Unternehmen beide Optionen anzubieten, das heißt, eine strukturierte Sanierung unter Insolvenzschutz oder eben außerhalb eines Insolvenzverfahrens anzugehen. Beides birgt Vor- wie Nachteile und muss im Einzelfall sorgfältig überlegt, geplant und erwogen werden.

© 2019 Krisennavigator. Alle Rechte vorbehalten.
Stand der Informationen: 23. Juli 2019.


Vervielfältigung und Verbreitung - auch auszugsweise - nur mit ausdrücklicher
schriftlicher Genehmigung des Krisennavigator - Institut für Krisenforschung, Kiel.
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"Das präventive Restrukturierungsverfahren ist der nächste Schritt hin zu einer neuen Sanierungskultur"

Düsseldorf / Brüssel - Am 06. Juni 2019 hat der Europäische Rat die EU-Richtline 2019/1023 zum präventiven Restrukturierungsrahmen verabschiedet. Erstmals wird damit europaweit die Möglichkeit geschaffen, außerhalb eines Insolvenzverfahrens, aber innerhalb eines verbindlichen Rechtsrahmens, betriebliche Sanierungsmaßnahmen mit den Beteiligten zu vereinbaren. Entsteht damit tatsächlich eine "neue Sanierungskultur" in Europa oder wird lediglich das "Restukturierungs-Hopping" von Problemunternehmen beflügelt? Antworten auf diese und andere Fragen zum präventiven Restrukturierungsrahmen gibt Rechtsanwalt Dr. Utz Brömmekamp, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Krisenmanagement e.V. (DGfKM) in Hamburg und Geschäftsführer der Buchalik Brömmekamp Unternehmensberatung GmbH in Düsseldorf, im Gespräch mit dem Restrukturierungsmagazin.

Restrukturierungsmagazin: Kernelement des präventiven Restrukturierungsrahmens ist ein sogenannter Restrukturierungsplan. Mit ihm lassen sich - so die Hoffnung -  deutlich individuellere und präzisere Maßnahmen zur Sanierung vereinbaren als im bisherigen Insolvenzverfahren. Gleichzeitig soll damit der Eingriff in die Rechte und Interessen der Beteiligten auf das notwendige Mindestmaß beschränkt werden. Ist damit tatsächlich mit einem höheren Sanierungserfolg zu rechnen als bei den bisherigen Insolvenzplänen bzw. Sanierungskonzepten gemäß IDW S6?

Dr. Utz Brömmekamp: Die EU-Vorgaben für ein präventives Restrukturierungsverfahren orientieren sich stark an unserem deutschen Insolvenzplanverfahren, allerdings mit dem feinen Unterschied, dass es sich gerade nicht um ein offizielles Insolvenzverfahren handelt. Vergleichbar dem Insolvenzplan wird auch der Restrukturierungsplan in der Tat das Kernstück des neuen Verfahrens sein. Denn schließlich werden dort die vorgestellten Maßnahmen und Gläubigerbeiträge erläutert, die dann mit dem Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit zur Abstimmung gestellt werden. Ob individuellere und präzisere Maßnahmen Bestandteil des Plans sein können, wird maßgeblich davon abhängen, in welchem Maße die einzelnen Mitgliedsstaaten bei der jeweiligen Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht den Eingriff in Gläubigerrechte zulassen werden. Fest steht nur, dass anders als nach der deutschen Insolvenzordnung nicht sämtliche Gläubiger einbezogen werden müssen, sondern auch nur einzelne Gläubiger oder Gläubigergruppen vom Plan betroffen sein können. Fest steht auch, dass zumindest im Grundsatz nicht nur finanzwirtschaftliche, sondern auch operative Maßnahmen Gegenstand einer Planlösung sein können. Ob der deutsche Gesetzgeber in diesem Zusammenhang auch Eingriffe in Vertragsverhältnisse zulassen wird, bleibt mit Spannung abzuwarten. Bislang setzt dies bei uns die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens voraus.

"Beim 'Cram Down' sehe ich noch
erheblichen Regelungs- und Klärungsbedarf."

Restrukturierungsmagazin: Die Regelungen des präventiven Restrukturierungsrahmens sehen auch vor, dass das zuständige Gericht ein Moratorium anordnen kann, während dessen der Geschäftsbetrieb des Not leidenden Unternehmens für vier Monate, mit maximaler Verlängerungsmöglichkeit auf 12 Monate, vor Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einzelner Gläubiger geschützt ist. Reicht dieser Zeitraum aus Ihrer Erfahrung für eine nachhaltige Sanierung tatsächlich aus?

Dr. Utz Brömmekamp:
Das Moratorium geht noch weiter, indem es auch Kündigungs- und Leistungsverweigerungsrechte aussetzt. Ebenso können Insolvenzantragspflichten während des Moratoriums suspendiert sein. Eine nachhaltige Sanierung wird in der vorgegebenen Zeit vermutlich nicht zu erreichen sein. Aber darauf zielt das Moratorium auch nicht ab. Vielmehr soll den Schuldnerunternehmen Gelegenheit und ausreichend Zeit gegeben werden, "ohne Druck von außen" mit den betroffenen Gläubigern eine Einigung zu erzielen. Dafür dürfte die Zeit von einigen Monaten ausreichend bemessen sein. Wie die Erfahrung lehrt, werden die Erfolgsaussichten einer Einigung mit zunehmender Zeit nicht eben besser.

Restrukturierungsmagazin: Der präventive Restrukturierungsrahmen sieht u.a. einen "Cram Down" vor - also die unfreiwillige Durchsetzung des Restrukturierungsplans durch einen Richter auch gegen die Einwände einzelner Gläubigerklassen. Haben damit zukünftig viele Kleingläubiger - also beispielsweise mittelständische Handwerksbetriebe - nicht das Nachsehen gegenüber Großbanken, Sozialversicherungsträgern oder dem Finanzamt?

Dr. Utz Brömmekamp: Den "Cram Down" kennen wir bereits aus unseren Insolvenzplanverfahren in Eigenverwaltung (ESUG). Dort heißt dies Obstruktionsverbot, meint aber grundsätzlich dasselbe, dass nämlich die fehlende Zustimmung einer Gläubigergruppe durch richterliche Entscheidung ersetzt werden kann. Dies wiederum setzt insbesondere voraus, dass die opponierende Gruppe durch den Restrukturierungsplan nicht schlechter gestellt werden darf als bei einer (beliebigen) Alternativlösung. Hier sehe ich noch erheblichen Regelungs- und Klärungsbedarf. Denn vom Gericht wird schwerlich zu verlangen sein, alle in Betracht kommenden Alternativszenarien zu prüfen und zu Vergleichszwecken heranzuziehen. Dann wäre es nämlich mit dem hehren Ziel der EU eines schlanken und schnellen Verfahrens rasch vorbei. Die vorgenannten Regelungen des "Cram Down" gelten für alle betroffenen Gläubiger gleichermaßen. Deshalb steht nicht zu befürchten, dass Kleingläubiger hierbei gegenüber großen und/oder institutionellen Gläubigern benachteiligt werden.

"Die Richtlinien-Geber wollen insbesondere ein
funktionsfähiges Sanierungsinstrument für KMU schaffen."

Restrukturierungsmagazin: Kapitalgeber, die einem Not leidenden Unternehmen während der Phase der präventiven Restrukturierung finanziell unter die Arme greifen, sind im Fall einer späteren Insolvenz vor Anfechtungen geschützt. Nimmt die EU damit billigend in Kauf, dass nun noch leichter - sprichwörtlich - "gutes Geld dem schlechten hinterhergeworfen" wird?

Dr. Utz Brömmekamp: Die dies regelnden Artikel 17 und 18 der Richtlinie bergen in der Tat Zündstoff. Solche Finanzierungen sollen nämlich bei Scheitern der Sanierung und in einem sich dann anschließenden Insolvenzverfahren nicht nur anfechtungsfest sein, sondern im Range auch noch vor gleich- oder gar höherrangigen (besicherten) Forderungen bedient werden. Dieses Risiko werden Kreditinstitute künftig im Zweifel in ihre Konditionen einpreisen. Es kann eigentlich auch nicht angehen, dass es für Gläubiger aus dem vorherigen Sanierungsverfahren eine Privilegierung gegenüber Neugläubigern geben soll. Die Zielsetzung der EU ist an dieser Stelle klar. Präventive Restrukturierungsverfahren sollen gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen nicht an fehlenden Mitteln zur Finanzierung des Verfahrens oder des Restrukturierungsplans scheitern. Insoweit erfolgt zumindest für bereits involvierte Finanzierer schon ein Appell, "gutes Geld dem schlechten hinterher zu werfen". Nur wird der Gesetzgeber bei der Umsetzung in nationales Recht dafür Sorge tragen müssen, dass von der Privilegierung nur ernsthafte, notwendige und belastbare Finanzierungen betroffen sein dürfen. Die Missbrauchsgefahr an dieser Stelle ist groß. Diese gilt es legislativ einzudämmen.

Restrukturierungsmagazin: Befürworter der neuen Regelungen loben diese als wichtigen Beitrag zur "Entstigmatisierung" des unternehmerischen Scheiterns und zur Schaffung einer neuen Sanierungskultur. So wurde die Frist für die Restschuldbefreiung bei natürlichen Personen von sechs auf drei Jahre reduziert und aus dem Insolvenzverwalter ein "Restrukturierungsbeauftragter". Ist das nur oberflächliche Wort- und Zahlen-Kosmetik oder ein wirklicher Quantensprung?

Dr. Utz Brömmekamp:
Ob es ein Quantensprung ist, wird sich in den nächsten Jahren erweisen müssen. Bereits das ESUG hat zu einer nicht unmaßgeblichen Entstigmatisierung unternehmerischen Scheiterns geführt. Mit dem Präventiven Restrukturierungsverfahren erfolgt der nächste Schritt hin zu einer neuen Sanierungskultur, insbesondere weil dieses Verfahren nicht mehr im Insolvenzverfahren verortet ist, sondern außerinsolvenzlich stattfindet. Eine gerichtliche Beteiligung wird es aber vermutlich in den meisten aller Fälle geben. Das bereits oben angesprochene Moratorium und auch der "Cram Down"  bedürfen richterlicher Anordnung. Es gibt Stimmen, die behaupten, das neue Verfahren eigne sich zum einen nur für Großunternehmen und zum anderen auch nur für eine finanzwirtschaftliche Sanierung, also letztlich nur für eine Neustrukturierung der Fremdkapitalseite. Ich teile diese Ansicht nicht. Die Richtlinien-Geber haben nämlich anderes im Sinn. Sie wollen insbesondere ein funktionsfähiges Sanierungsinstrument für KMU schaffen, mit dem auch operative Maßnahmen per Mehrheitsbeschluss der davon betroffenen Gläubiger umgesetzt werden können. Etwas versteckt am Ende der Richtlinie findet sich in Artikel 33 eine Überprüfungsklausel, wonach sich die EU nach einer Erfahrungsphase von sieben Jahren ein Nachsteuern vorbehält, wenn sich die in das neue Verfahren gesetzten Erwartungen nicht erfüllt haben sollten.

"Die Suche krisenbefangener Unternehmen nach dem
für sie günstigsten Sanierungsstandort wird damit befeuert."

Restrukturierungsmagazin: Die EU lässt den Mitgliedsstaaten vergleichsweise großen Spielraum bei der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht. Kritiker befürchten, dass nun ein Flickenteppich mit unterschiedlich strengen Regelungen entsteht. Droht der EU damit - ähnlich wie bei der Unternehmensbesteuerung - ein "Restukturierungs-Hopping" von Problemunternehmen?

Dr. Utz Brömmekamp: Aus meiner Sicht ist es der größte "Webfehler" der Richtlinie, dass aus vielen "Muss-Vorgaben" aus den Kommissionsempfehlungen letztlich "Soll-Vorgaben" geworden sind. Das bedeutet, dass den nationalen Gesetzgebern breite Spielräume zur Umsetzung verbleiben. Und die einzelnen Länder werden sich an ihre jeweilige legislative Tradition anlehnen. In Deutschland wird das Verfahren deshalb vermutlich mehr gläubigerfreundlich und regulativ ausgestaltet sein, in den Niederlanden oder Frankreich zum Beispiel eher schuldnerorientiert und weniger reglementiert. Das sogenannte "Forum Shopping", also die Suche krisenbefangener Unternehmen nach dem für sie günstigsten Sanierungsstandort wird damit befeuert. In den Niederlanden richtet man sich darauf schon ein. Deren neues Gesetz soll im ersten Halbjahr 2020 im Kraft treten. Am Amsterdamer Gerichtshof formiert sich gerade eine Abteilung nur für solche Vergleichsverfahren, übrigens mit Englisch als Amtssprache. Das deutet sehr darauf hin, dass sich unser stets umtriebige und pragmatische Nachbar auf "Restrukturierungs-Hopping" vorbereitet. Hartelijk welkom aan alle Europese ondernemers in de crisis….

Restrukturierungsmagazin: Der präventive Restrukturierungsrahmen stärkt auch die Arbeitnehmerrechte. Beispielsweise darf durch Restrukturierungspläne nicht in nationale, kollektivarbeitsrechtliche Bestimmungen eingegriffen werden. Außerdem sollen die Beschäftigten möglichst frühzeitig über die wirtschaftliche Lage des Schieflageunternehmens und den weiteren Ablauf des Restrukturierungsverfahrens informiert werden. Wird damit tatsächlich eine neue Sanierungskultur in Europa etabliert oder nur die kontraproduktive Warnung der Marktpartner vor der Schieflage des Unternehmens beschleunigt?

Dr. Utz Brömmekamp:
Gemessen an den ursprünglichen Kommissionsempfehlungen sind in der Tat die Arbeitnehmerrechte in der Richtlinie gefestigt und zum Teil noch erheblich gestärkt und erweitert worden. Die Frage, ob im Rahmen des präventiven Verfahrens überhaupt in Rechte und Stellung von Arbeitnehmern eingegriffen werden darf, obliegt am Ende dem nationalen Gesetzgeber. Arbeitnehmerforderungen sollen aber grundsätzlich nicht dem Moratorium unterfallen, sind also stets zu begleichen. Zahlungen von Arbeitslöhnen im Verfahren sind im Falle einer Anschlussinsolvenz ebenfalls privilegiert, also vor Anfechtung sicher. Ein im Rahmen der Sanierung geplanter Stellenabbau von mehr als 25 Prozent bedarf zwingend gerichtlicher Bestätigung. Und Arbeitnehmern sollen zum Teil umfängliche Informations- und Mitwirkungsrechte rundum das Verfahren eingeräumt werden. Wenn man so will, kann dies tatsächlich ein Baustein einer neuen Sanierungskultur in Europa sein. Man wird damit aber sorgsam umzugehen haben. Die Entscheidungshoheit muss letztlich bei Gesellschaftern und Management verbleiben, die im Zweifel für ihre Entscheidung, ein außerinsolvenzliches Restrukturierungsverfahren mit all seinen Chancen und Risiken anzustrengen, ihren Kopf hinhalten müssen. Dabei soll aber nicht unerwähnt bleiben, dass ein guter Unternehmer bei seinen Überlegungen immer die Belegschaft mitnehmen sollte.

"Im Zuge der Richtlinienumsetzung sind Instrumente
zur Missbrauchskontrolle dringend zu implementieren."

Restrukturierungsmagazin: Ein Ziel des präventiven Restrukturierungsrahmens ist nicht zuletzt die Senkung der Kosten von Restrukturierungsprozessen. Hierdurch hofft die EU, dass insbesondere kleine und mittlere Unternehmen leichteren Zugang zu dem Verfahren erhalten. Wird damit das Scheitern möglicherweise zu einfach und kostengünstig gemacht und im Gegenzug der volkswirtschaftliche Schaden von Unternehmensschieflagen maximiert?

Dr. Utz Brömmekamp:
Das sehe ich nicht so. Der volkswirtschaftliche Schaden soll ja gerade dadurch verhindert oder zumindest abgeschwächt werden, dass es künftig weniger Unternehmensschließungen und mehr Unternehmenssanierungen geben soll. Das bedeutet volkswirtschaftlich den Erhalt von Arbeitsplätzen, die Vermeidung oder Minimierung von Forderungsausfällen sowie Sicherung und Erhalt von Geschäftsbeziehungen. Andererseits ist es aber fraglos richtig, dem Unternehmen eine Sanierung, die sich maßgeblich auf Zugeständnisse oder Beiträge seiner Gläubiger stützt, nicht zu leicht zu machen. Deshalb sind im Zuge der Richtlinienumsetzung Instrumente zur Missbrauchskontrolle dringend zu implementieren.

Restrukturierungsmagazin:
Die Mitgliedsländer der Europäischen Union haben bis 2021 Zeit, die EU-Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. In Deutschland haben wir bereits seit dem Jahr 2012 mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) einen ähnlichen Rechtsrahmen geschaffen. In der Gesamtschau: Welche konkreten Verbesserungen erwarten Sie durch den präventiven Restrukturierungsrahmen der EU gegenüber den bisherigen Regelungen?


Dr. Utz Brömmekamp: Wir sind in Deutschland in der komfortablen Position, mit dem ESUG bereits ein Verfahren zu haben, dass den Richtlinieninhalten sehr nahe kommt, aber eben nur im Rahmen eines offiziellen Insolvenzverfahrens durchlaufen werden kann. Deshalb muss es in Deutschland ein neues Gesetz über das präventive Restrukturierungsverfahren geben, welchen Namen man diesem auch immer geben mag. Daneben muss das ESUG, das sich nach erheblichen Anlaufschwierigkeiten bei uns zwischenzeitlich bewährt und etabliert hat, seine Lebensberechtigung unbedingt behalten. Das präventive Verfahren soll ausdrücklich der Insolvenzvermeidung dienen, ist also bei bereits eingetretener Insolvenzreife grundsätzlich nicht mehr das geeignete Verfahren. Die gesetzgeberische Herausforderung wird es sein, beide Verfahren sinnvoll und praktikabel voneinander abzugrenzen, was gerade im Stadium drohender Zahlungsunfähigkeit angezeigt erscheint. Denn diese eröffnet dem Unternehmen ein Insolvenzantragsrecht, indes keine Antragspflicht und liegt somit auf der Schnittstelle beider Verfahren. Meines Erachtens spricht nichts dagegen, einem drohend zahlungsunfähigen Unternehmen beide Optionen anzubieten, das heißt, eine strukturierte Sanierung unter Insolvenzschutz oder eben außerhalb eines Insolvenzverfahrens anzugehen. Beides birgt Vor- wie Nachteile und muss im Einzelfall sorgfältig überlegt, geplant und erwogen werden.

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Stand der Informationen: 23. Juli 2019.

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